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NRW-Landtagswahl 2012

Die Sozialpolitik der Piraten

veröffentlicht von V. Ammer am 27.4.2012
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Nach Berlin zogen die Piraten im Saarland in ein zweites Landesparlament ein. Überraschend sind dabei die erklärten Motive ihrer Wähler: Weniger um Datenfreiheit im Netz als vielmehr um die soziale Gerechtigkeit sei es ihnen gegangen. Dabei stecken die Piraten gerade in Bezug auf soziale Fragen im dichten Nebel. Zeit für DIE LINKE. NRW, in dieser Frage für etwas mehr Durchblick zu sorgen.

40 Prozent der Piratenwähler im Saarland gaben an, »soziale Gerechtigkeit« sei ihr Hauptthema, nur für 27 Prozent war es die Netzpolitik der neuen Partei. Doch was die Piraten zu Garanten einer sozial gerechten Politik machen soll, ist schleierhaft. Fakt ist:  Die ungerechte Verteilung von Vermögen und ein menschenwürdiger Umgang mit Erwerbslosen und Geringverdiener ist nicht gemeint.

Man wolle Armut verhindern, nicht Reichtum – so steht es im Bundesprogramm der Piraten. Auf Versprechen wie dieses beruht der Erfolg der Piraten als vermeintlich soziale Partei: Die einen stärker zu unterstützen ohne die anderen zu belasten – das tut niemandem weh. Sebastian Nerz, Vorsitzender der Piratenpartei und ehemals CDU-Mitglied, beruhigt ebenfalls: Die Piraten seien „keine Umverteilungspartei“. Dass es einen Zusammenhang zwischen Armut und Reichtum gibt, der Umverteilung zwingend nötig macht, dieser Meinung sind die Piraten also nicht. 

Aber wie stellen sich die Piraten nun ein sozialeres Deutschland vor? Hinweise darauf bieten die Ergebnisse der „Sozialpiraten“, einer Arbeitsgruppe der Bundespartei, die jüngst in Fragen eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) konkreter wurde.  Als einzige Partei sprechen sich die Piraten für das BGE aus, das Transferleistungen wie Sozialhilfe und Hartz IV ersetzen soll. Allerdings bleibt ihr Vorschlag weit unter dem anderer Befürworter. Die veranschlagten 440 Euro bleiben weit unter den gegenwärtigen Sätzen für Hartz IV oder Altersgrundsicherung. Man „wolle kein BGE auf Pump“, erklären die Sozialpiraten laut taz vom 26. März (http://www.taz.de/!90391/). Ronald Blaschke vom Netzwerk Grundeinkommen hält davon nichts: „440 Euro Transferleistungen – das unterschreitet teils sogar das jetzige Hartz-IV-Niveau“.

Im Saarland haben sich die Piraten zur Schuldenbremse bekannt. Damit segeln die Piraten (Slogan: „Klar zum Ändern“) exakt auf dem gleichen Sparkurs wie alle etablierten Parteien. Dass dieser regierungskonforme „Sparkurs“ der Piraten zulasten sozial benachteiligter Menschen geht, das treibt die Piraten gar nicht um. Stattdessen macht sich Nordrhein-Westfalens Piraten-Vorsitzender Sorgen um die Bezahlung der Parlamentarier im NRW-Landtag: Michele Marsching kündigte im März gegenüber dapd die Zustimmung seiner Partei zu den für Juni geplanten Diätenerhöhungen der Landtagsabgeordneten an (http://www.derwesten.de/politik/piratenpartei-ist-fuer-hoehere-diaeten-im-nrw-landtag-id6481129.html).

Doch auch von Seiten von FreiberuflerInnen hagelt es Kritik an den Piraten. Denn die Forderung nach einem freien Zugang auf alle digitalisierbare Daten lässt die Tatsache außer Acht, dass gerade MusikerInnen, AutorInnen, JournalistInnen oder GrafikerInnen unter der geforderten freien Zugänglichkeit ihrer geistigen Eigentümer stark zu leiden hätten. Der Musiker Sven Regener stellte in einem Audio-Interview heraus, dass die Vorstellung, alles müsste frei downzuloaden sein, bereits vielen unabhängigen Musiklabels die Existenz gekostet habe und allein Multis wie Google begünstige (http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/regener_interview100.html). Regeners Ergebnis: „Eine Gesellschaft, die so mit ihren Künstlern umgeht, ist nichts wert.“ Die Piraten sagen zwar in ihrem Programm: „Wir erkennen die Persönlichkeits­rechte der Urheber an ihrem Werk in vollem Umfang an“. Doch die geforderten „Offenen Standards“ lassen sie im Regen stehen.

Was bedeutet das?

Die politischen Vorstellungen der Piraten schaden nicht nur den genannten Freischaffenden – sie schaden auch ihren meist männlichen und erwerbstätigen Wählern selbst: Jeder dritte junge Erwachsene muss mit einem Einkommen unter der Niedriglohn-Schwelle (9,53 West/7,22 Ost) auskommen, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Der Anteil junger Niedriglöhner steigt deutlich stärker als in älteren Bevölkerungsgruppen. Sogar das DIW schlägt daher als Lösung die stärkere Besteuerung von Vermögen und Luxusgütern vor. Die Piraten machen das aber nicht.

Die Piraten sammeln zwar Protestwähler, sind aber keine Protestpartei. Einen sozialen Politikwechsel streben sie nicht an. Darauf deuten einerseits die gesammelten Äußerungen führender Piraten hin. Andererseits sehen sich „linke“ Piraten, die sich z.B. bei der Occupy-Bewegung verorten würden, Parteimitgliedern aus der CDU, FDP und teils noch konservativeren Kräften gegenüber. Dass sie sich gegen letztere durchsetzen, ist fraglich. So bleibt die künftige Politik der Piraten eine Wundertüte.

Wir meinen: Eine Partei, die sich zur Wahl stellt, sollte ihren WählerInnen sagen, wofür sie steht und was sie machen wird. DAS ist Transparenz. DIE LINKE macht das – nicht nur im Gegensatz zu den Piraten, sondern auch im Gegensatz zu SPD und Grüne, die ihre Versprechen schnell wieder vergessen. Würden diese Parteien ihre Programme ernst nehmen, würden sie nicht im Vorfeld die Zusammenarbeit mit der LINKEN ausschließen.  

Die Piraten bilden mit ihren Überlegungen für mehr Beteiligung durch das Internet einen interessanten Rahmen, der sich für eine demokratischere Gestaltung politischer Entscheidungen durchaus nutzen lässt. ABER: Diesen Rahmen muss man mit einer verlässlichen Programmatik füllen. Eine Partei muss Grundsätze und Ziele haben. Die haben die Piraten nicht.

Quelle: www.dielinke-nrw.de, heruntergeladen am 27.04.2012 um 22.05 Uhr

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