„Unschuldige Opfer“ in Afghanistan |
veröffentlicht von V. Ammer am 14.12.2009 |
Einige Gedanken vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um den Luftangriff bei Kundus.
In einer Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag (BAF) vom 26. November 2009 heißt es: „Die stete Militarisierung der deutschen Außenpolitik seit 1990 hat durch den Afghanistaneinsatz eine neue Qualität erfahren. Mit der schwarz-gelben Bundesregierung hat sie neuen Schub erhalten. So werden von Regierungsseite neue Kriegsnormen gesetzt. Dahinter verbirgt sich ihr Werben um die Akzeptanz von Krieg in der Bevölkerung.“ (http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/bewegung/afgh/baf9.html)
Dieses Werben kommt schleichend und scheinbar harmlos daher. Unter der Übschrift „Jedes unschuldige Opfer ist eines zu viel“ ist auf der Internetseite der Bundesregierung in einer Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel am 8. September nachzulesen: „Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode gekommene Mensch ist einer zu viel“.(http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2009/09/2009-09-08-Regierungserklaerung-Afghanistan.html) Viele werden diesem Satz spontan zustimmen. Die Medien sind voll von Meldungen, die den Begriff „unschuldige Opfer“ verwenden. Aber was bedeutet er? Wer entscheidet, wer schuldig oder unschuldig zu Tode gekommen ist? Ohne den Gegenpol „schuldige Opfer“ macht die Klassifizierung „unschuldig“ keinen Sinn. Sind mutmaßliche Angehörige der Taliban schuldige Opfer?
Die aktuellen Erkenntnisse legen die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Angriff auf die Tanklastzüge um eine „Quasi-Exekution echter oder vermeintlicher Taliban“ handelte, wie es Heribert Prantl in einem Kommentar der Süddeutschen Zeitung vom 13. Dezember auf den Punkt bringt (http://www.sueddeutsche.de/politik/69/497375/text/) und als „Verabschiedung aus dem Isaf-Mandat und Eintauchen in blankes Kriegsrecht“ bewertet.
Wären ausschließlich Taliban bei dem Angriff getötet worden, hätte es die allgemeine Empörung in den Medien vermutlich nie gegeben. Das sollte nachdenklich machen. Kaum jemand merkt noch, wie hier schleichend eine Werteverschiebung stattfindet. Es wird die Illusion erzeugt, es könne einen Krieg ohne „unschuldige Opfer geben, einen „sauberen Krieg“ (was ist schmutziger Krieg?). Doch auch der Versuch, den Begriff „Krieg“ zu vermeiden und durch „Friedensmission“ zu ersetzen ändert nichts daran, das Krieg einfach nur Krieg ist. „Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut soll immer wieder mit Blut abgewaschen werden.“ Dieses Zitat von Berta von Suttner mögen Befürtworter des Afghanistaneinsatzes empört als nicht auf die Situation anwendbar zurückweisen. Doch die militärpolitische Realität widerspricht immer offener dem Grundgesetz (Streitkräfte nur zur Verteidigung) und dem Völkerrecht (keine militärischen Interventionen). Mal abgesehen davon, dass sich der internationale Terrorismus kaum mit Krieg bekämpfen lässt und durch militärische Aktionen eher angeheizt als begrenzt wird. Thomas Carl Schwoerer, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen und Verleger des Campus Verlags: „Wer in den Kategorien konventioneller Kriege denkt, spielt Terroristen in die Hände: Mit jedem Bombardement und jedem Tod von Zivilisten, der unweigerlich im Afghanistan-Krieg stattfindet, macht sich der Westen Feinde und führt den Terroristen Rekruten zu.“ (http://www.dfg-vk.de/aktuelles/aktuelle-artikel/2008/107)
DIE LINKE vertritt eine klare Position: „Deutsche und europäische Außenpolitik muss Friedenspolitik werden: Wir bekämpfen den Krieg und lehnen die Militarisierung der deutschen Außenpolitik ab. Die Bundeswehr darf nicht weiter für Militärinterventionen im Ausland eingesetzt werden. [...] Wir wollen zivile Konfliktvorbeugung und -lösung als Alternative zu Kriegseinsätzen.“ (Programmatische Eckpunkte, DIE LINKE, März 2007 )
(V. Ammer)
8.9.2009 - Oskar Lafontaines Gegenrede zur Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel:
zurück