Ausschüsse müssen aufgelöst und neu besetzt werden |
veröffentlicht von Administrator am 21.3.2021 |
Stadtverordnete Diana Ammer (DIE LINKE) verweigerte in der konstituierenden Sitzung des Stadtrats am 19.11.2020 ihre Zustimmung zur Zusammensetzung der Ausschüsse. Sie begründete ihre Ablehnung damit, dass bei der vorgeschlagenen Ausschussbesetzung das Prinzip der Spiegelbildlichkeit missachtet wurde (die Ausschusszusammensetzung muss die Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln). Das für den Fall einer nicht zustande kommenden Einstimmigkeit in der Gemeindeordnung zwingend vorgegebene Mehrheitswahlverfahren wurde nicht angewendet. (Vgl. Ausschusszusammensetzung rechtlich nicht korrekt)
Nun hat das Verwaltungsgericht Minden in einer Eilentscheidung angeordnet, dass der Rat der Stadt Horn-Bad Meinberg die Ausschüsse aufzulösen und anschließen entsprechend der rechtlichen Vorgaben neu zu besetzen hat.
Das Recht auf gleiche Repräsentation und gleichberechtigte Mitwirkung aller Stadtverordneten sei missachtet worden. Die einer Gegenstimme zukommende gesetzliche Sperrwirkung sei in unzulässiger Weise unterlaufen worden. Eine derartige Verletzung demokratischer Grundprinzipien könne insbesondere bei der Besetzung beschließender Ausschüsse nicht hingenommen werden.
Verwaltungsgericht Minden
Aktenzeichen 2L104/21
Antragstellerin: Diana Ammer
Antragsgegner: Rat der Stadt Horn-Bad Meinberg, vertreten durch durch den Bürgermeister
Beschluss vom 17. März 2021 durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Frenzen, die Richterin Kortmann und den Richter Liebnow
Der komplette Beschluss zum Nachlesen: https://rewis.io/s/u/jj3/
Erläuterung:
Das Urteil bezieht sich auf die Gemeindeordnung für das Land NRW, § 50, Abs. 3:
(3) [Satz 1] Haben sich die Ratsmitglieder zur Besetzung der Ausschüsse auf einen einheitlichen Wahlvorschlag geeinigt, ist der einstimmige Beschluss der Ratsmitglieder über die Annahme dieses Wahlvorschlages ausreichend. [Satz 2]Kommt ein einheitlicher Wahlvorschlag nicht zustande, so wird nach den Grundsätzen der Verhältniswahl in einem Wahlgang abgestimmt. [...]
Aus dem Gerichtsbeschluss:
[…]
Der Antragsgegner [Rat der Stadt Horn-Bad Meinberg] wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die von ihm gebildeten Ratsausschüsse Haupt- und Finanzausschuss, Wahlprüfungsausschuss, Wahlausschuss, Rechnungsprüfungsausschuss, Betriebsausschuss, Umweltausschuss, Ausschuss für Familie, Soziales und Teilhabe, Ausschuss für Schule und Sport, Ausschuss für Stadtentwicklung und Liegenschaften, Ausschuss für Verkehr und Sicherheit, Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Gesundheit aufzulösen und neu zu bilden.
[…]
Nach § 50 Abs. 3 Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) wird über die Besetzung der Ausschüsse durch die Ratsmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl in einem Wahlgang abgestimmt, wenn ein einheitlicher Wahlvorschlag nicht zustande kommt.
[...]
Vorliegend kam ein einheitlicher Wahlvorschlag am 19.11.2020 nicht zustande (Abstimmungsergebnis: 31 Ja-Stimme(n), 1 Gegenstimme(n), 0 Stimmenthaltung(en), so dass über die Besetzung der Ausschüsse nach den Grundsätzen der Verhältniswahl abzustimmen war.
Nach den Grundsätzen der Verhältniswahl sind gemäß § 50 Abs. 3 Satz 3 GO NRW die Wahlstellen auf die Wahlvorschläge der Fraktionen und Gruppen des Rates entsprechend dem Verhältnis der Stimmenzahlen, die auf die einzelnen Wahlvorschläge entfallen, zur Gesamtzahl der abgegebenen gültigen Stimmen zu verteilen. Dabei werden gemäß § 50 Abs. 3 Satz 4 GO NRW jedem Wahlvorschlag zunächst so viele Sitze zugeteilt, wie sich für ihn ganze Zahlen ergeben. Sind danach noch Sitze zu vergeben, so sind sie in der Reihenfolge der höchsten Zahlenbruchteile zuzuteilen (§ 50 Abs. 3 Satz 5 GO NRW). Bei gleichen Zahlenbruchteilen entscheidet gemäß § 50 Abs. 3 Satz 6 GO NRW das Los.
Diesen Grundsätzen wird der von allen Fraktionen eingereichte gemeinsame Wahlvorschlag, der identisch war mit dem als einheitlicher Wahlvorschlag aller Ratsmitglieder eingereichten Wahlvorschlag (Abstimmungsergebnis: 31 Ja-Stimme(n), 1 Gegenstimme(n), 0 Stimmenthaltung(en)), nicht gerecht. Denn es ist unzulässig, in dem Wahlgangvorgang nach § 50 Abs. 3 Satz 2 GO NRW den vormals einheitlichen Wahlvorschlag nunmehr erneut als Vorschlag einer Fraktion oder Gruppe einzubringen, ohne dass es zumindest einen weiteren Wahlvorschlag gibt. Hierdurch würde die einer Gegenstimme zukommende gesetzliche Sperrwirkung unterlaufen und die Gegenstimme offensichtlich ins Leere gehen. Würde ausschließlich der frühere einheitliche Wahlvorschlag (erneut) eingebracht und sodann gem. § 50 Abs. 3 Sätze 2 und 3 GO NRW nach Verhältniswahlgrundsätzen abgestimmt, stünde eben die in Abs. 3 Satz 2 für die weitere Abstimmung angeordnete Verhältniswahl in Frage. Denn diese setzt schon ihrer Struktur nach mehrere Wahlvorschläge voraus.
[...]
Wenn sich der Antragsgegner hiergegen darauf beruft, dass Fraktionen und Gruppen nicht gezwungen werden könnten, eigene Wahlvorschläge einzureichen, [...] so verkennt der Antragsgegner, dass die Verhältniswahl als ein zwingendes gesetzliches Gerechtigkeitsprinzip zugunsten der Minderheiten angeordnet und einer Verfügung durch die Ratsmehrheit entzogen ist. Der Rat kann also nicht etwa beschließen, das in § 50 Abs. 3 GO NRW zwingend vorgeschriebene Verfahren nicht anzuwenden und stattdessen die Mitglieder der Ausschüsse und ihre Stellvertreter durch Mehrheitsbeschluss zu bestellen.
[...]
Selbst wenn mangels weiteren Wahlvorschlags nicht abschließend geklärt werden kann, ob bei ordnungsgemäßer Durchführung der Wahl der Ausschüsse tatsächlich im Rahmen der Verhältniswahl ein Ausschusssitz auf die Antragstellerin entfiele bzw. die künftige Ausschussbesetzung auch im Hinblick auf die Berücksichtigung kleinerer Parteien ihrem rechnerischen Stärkeverhältnis im Rat entspricht, so ist der Antragstellerin jedenfalls der erforderliche Minderheitenschutz durch die Einhaltung des von der Gemeindeordnung zwingend vorgesehenen Verfahrens zu gewähren.
[…]
In einem Kommunalverfassungsstreit ist im Hinblick auf den Anordnungsgrund zu berücksichtigen, dass es hier grundsätzlich nicht auf die subjektive Betroffenheit des jeweiligen Antragstellers ankommt, sondern darauf, ob die einstweilige Anordnung im Interesse der Körperschaft, der er angehört, objektiv notwendig bzw. - bei einer Vorwegnahme der Hauptsache - unabweisbar erscheint. Ob eine solche Situation gegeben ist, richtet sich nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls.
[...]
Ausgehend davon ist die zur Entscheidung gestellte Auflösung und Neubildung von Ratsausschüssen nach Lage der Dinge unabweisbar. Der gesetzlich vorgesehene Minderheitenschutz sowie das Recht auf gleiche Repräsentation und gleichberechtigte Mitwirkung würden für die Dauer des Hauptsacheverfahrens vereitelt, wenn die beantragte einstweilige Anordnung nicht erginge. Eine derartige auch nur vorübergehende Verletzung demokratischer Grundprinzipien, wie der im Gesetz zwingend vorgesehene Minderheitenschutz, kann insbesondere bei der Besetzung beschließender Ausschüsse nicht hingenommen werden.
[...]
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