Attac-Aktion: Fiskalvertrag stoppen |
veröffentlicht von V. Ammer am 25.6.2012 |
1. Was ist der Fiskalpakt?
Der Fiskalpakt ist ein Vertrag auf europäischer Ebene, der vorsieht, dass alle Unterzeichnerstaaten bis zum 1. Januar 2014 sogenannte Schuldenbremsen einführen. Diese ist in einigen Punkten schärfer als die in Deutschland bereits beschlossene "Schuldenbremse"; so muss diese künftig auch von den Sozialversicherungen und Kommunen eingehalten werden.
Die VerfechterInnen des Fiskalpakts sehen in ihm ein Werkzeug zur Überwindung der Krise. Auf Druck der deutschen Regierung wurde der Fiskalvertrag mit dem "Europäischen Rettungsschirm" (European Stability Mechanism – ESM) verknüpft: Künftig erhalten nur noch die Länder Darlehen aus dem "Rettungsschirm", die den Fiskalvertrag bis zum 1. März 2013 ratifiziert und die „Schuldenbremse“ ein Jahr später eingeführt haben. In Deutschland soll über den Vertrag am 25. Mai im Bundestag endgültig abgestimmt werden.
2. Warum lehnt Attac den Fiskalpakt ab?
Der Fiskalpakt ist ein massiver Angriff auf Demokratie und soziale Errungenschaften. Insbesondere wird das "Königsrecht" der Parlamente – das Recht, den eigenen Haushalt zu gestalten – massiv eingeschränkt und teilweise auf die nicht gewählte EU-Kommission übertragen. Rechte der Legislative sollen auf eine Institution der (europäischen) Exekutive übertragen werden – das ist undemokratisch.
Die "Schuldenbremse" des Fiskalpakts wirkt effektiv als "Haushaltsdeckel", der den Druck steigert, mehr Sozialabbau durchzusetzen, Löhne im öffentlichen Sektor zu senken und öffentliche Investitionen zurückzufahren. Sinnvolle öffentliche Ausgaben sollen gekappt werden, während gleichzeitig die Banken mit Milliarden gerettet werden.
Und als sei das nicht Bedrohung genug, ist ein späterer Ausstieg aus dem Fiskalpakt nicht vorgesehen : Der Vertrag enthält keine Kündigungsklausel. Er kann daher nur einstimmig von allen Unterzeichnerstaaten aufgehoben werden. Somit schreibt der Vertrag auch die in Deutschland bereits besehende "Schuldenbremse" für die Ewigkeit fest.
3. Warum ist der Fiskalvertrag undemokratisch?
Der Fiskalvertrag beschränkt das wichtigste Recht der nationalen Parlamente: Das Haushaltsrecht. Das Haushaltsrecht ist deshalb so zentral, weil die Entscheidung über die Einnahmen ("wer bezahlt wie viel Steuern?") und die Ausgaben ("wofür wird Geld ausgegeben und wofür nicht?") das Zusammenleben der Gesellschaft maßgeblich prägen.
Die Einschränkungen des Haushaltsrechts durch den Fiskalpakt geschehen zum einen über starre Regeln (z.B. die "Schuldenbremse") und automatische Sanktionen bei Verfehlungen. Zum anderen erhält aber auch die nicht demokratisch gewählte Europäische Kommission ein großes Mitspracherecht: Alle Länder, deren Neuverschuldung über 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) oder deren Schulden über 60 Prozent des BIP liegen, müssen ihre Haushaltsgrundsätze künftig von der Kommission genehmigen lassen. Wenn dieser die Politik der gewählten ParlamentarierInnen nicht passt, kann sie ein Veto einlegen!
Für Deutschland bedeutet der Fiskalpakt faktisch, dass wesentliche Bestimmungen des Grundgesetzes (Souveränitätsübertragung) außer Kraft gesetzt werden!
Die meisten Euroländer sind verschuldet, weil sie über zu wenig Steuermittel verfügen – insbesondere die Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen wurden in den letzten Jahren drastisch gesenkt, auch durch den Steuersenkungswettbewerb innerhalb der Europäischen Union.
Der Fiskalvertrag ändert an diesen Ursachen der Verschuldung gar nichts, da er sich nur auf die Ausgabenseite bezieht und drastische Kürzungen verlangt. Diese treffen zusätzlich zur Steuerungerechtigkeit in aller Regel auch wieder die Bevölkerung am unteren Ende der Einkommensskala. Soziale Ungleichheit wird mit dem Fiskalvertrag so weiter verschärft.
5. Warum ist der Fiskalpakt anti-europäisch?
KritikerInnen des Vertrags wird häufig vorgeworfen, anti-europäisch zu sein, obgleich der Vertrag selbst anti-europäisch wirkt: Es handelt sich um einen Vertrag außerhalb der EU-Verträge, an dem nicht alle EU-Mitgliedstaaten teilnehmen, was zu einer Spaltung der EU beiträgt. Außerdem sollte die europäische Integration zu einem demokratischen und sozial gerechteren Europa führen – genau dem widerspricht jedoch der Fiskalpakt.
6. Ist der Fiskalpakt ein geeignetes Werkzeug, um die Krise zu überwinden?
Nein. Der Fiskalvertrag zwingt alle Staaten zu einer Politik der Ausgabenkürzung und Privatisierung. Doch die Eurokrise wurde nicht dadurch verursacht, dass die Staaten "über ihre Verhältnisse" gelebt und beispielsweise zu viel für Sozialleistungen ausgegeben hätten. Vielmehr gaben die Staaten in der Finanzkrise Milliarden zur Rettung der Banken und zur Stützung der Konjunktur aus. Dadurch explodierten die Schulden.
Das Beispiel Griechenland zeigt noch dazu sehr deutlich, dass die Schulden eines Landes sogar noch steigen, wenn eine rigide Kürzungspolitik, wie sie im Fiskalvertrag vorgesehen ist, die wirtschaftliche Krise verschärft. Wenn Unternehmen pleite gehen und die Arbeitslosigkeit steigt, dann nimmt der Staat weniger Steuern ein und hat mehr Ausgaben. Der Fiskalvertrag ist damit auch ökonomisch unsinnig.
7. Ist eine "Schuldenbremse" nicht wichtig?
Die sogenannten Schuldenbremsen begrenzen das Haushaltsrecht und damit das zentrale Instrument der Parlamente, ihre Regierungen zu kontrollieren. Die zentrale Ort für gesellschaftliche Verteilungsentscheidungen wird stark eingeschränkt. Staatsausgaben, das sind sowohl die laufenden Ausgaben als auch die Investitionen, können entweder über Steuereinnahmen oder über die Aufnahme von Schulden finanziert werden. Die "Schuldenbremse" begrenzt letzteres deutlich. Damit schlagen Steuermindereinnahmen direkt auf die Ausgaben und damit auf Investitionen und den sozialen Ausgleich durch. Da durch solche Kürzungen auch die Konjuktur abgewürgt werden kann, ist zu erwarten, dass die "Schuldenbremse" in vielen Fällen effektiv zu einer höheren Staatsverschuldungsquote führen wird.
8. Wie zwingt der Fiskalpakt zu Kürzungen und Privatisierungen?
Der Fiskalvertrag sieht vor, dass alle Unterzeichnerstaaten bis zum 1. Januar 2014 Schuldenbremsen eingeführt haben und zwar möglichst verankert in ihren nationalen Verfassungen. Wer dies nicht macht, kann dafür vor dem Europäischen Gerichtshof zu hohen Geldbußen verklagt werden. Wird die Schuldenbremse – ein strukturelles Defizit von maximal 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – nicht eingehalten, werden automatisch Ausgaben gekürzt.
Länder, deren Defizit auf über 3 Prozent des BIP steigt, müssen einen Plan vorlegen, wie sie das Defizit reduzieren wollen. Der Plan muss von der Europäischen Kommission und dem Rat genehmigt werden. Diese Gremien werden nur Maßnahmen billigen, die ihrer rigiden Spardoktrin folgen.
Für Länder mit einem Schuldenstand von über 60 Prozent des BIP gilt das gleiche; sie sind außerdem verpflichtet, alle über diesen Wert hinausgehenden Schulden um 5 Prozent pro Jahr abzubauen. Für viele Länder heißt das, dass sie künftig Haushaltsüberschüsse erzielen müssen, was nur mit noch stärkeren Ausgabenkürzungen und mit der Privatisierung öffentlicher Unternehmen erreichbar ist.
Kein Kuhhandel mit Parlamentsrechten! Der Fiskalvertrag schränkt die Rechte der nationalen Parlamente deutlich ein, er ist unsozial und löst die Eurokrise nicht.
Außerdem kann die Bundesregierung gar nicht zusichern, die Finanztransaktionssteuer auf Ebene der Europäischen Union oder der Eurozone einzuführen. Dafür braucht es die Zustimmung aller anderen beteiligten Staaten.
Statt die Krise mit Einschränkungen der Ausgabenseite bewältigen zu wollen, wie es der Fiskalpakt vorsieht, ist eine Anpassung der Einnahmenseite zur Verringerung der Schulden notwendig. Die negativen Effekte der Kürzungspolitik, Verarmung bis hin zur Verelendung breiter Bevölkerungsschichten bleiben aus, wenn die Hauptlast der Krisenkosten vom oberen Einkommensende getragen werden.
Denkbare wirksame Maßnahmen sind beispielsweise eine EU-weite Vermögensabgabe, die Wiedereinführung der Vermögensteuer, höhere Steuern auf Kapitalerträge und die Einführung der Finanztransaktionssteuer.
Um eine weitere Verschärfung der Krise zu verhindern, müssen außerdem die Finanzmärkte reguliert werden, damit diese nicht mehr gegen einzelne Staaten spekulieren können.
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